Sprache Wissen Macht

Sprache Wissen Macht is a bilingual blog on the politics of language and knowledge. English and German.

July 19, 2023

Kampfbegriffe enttarnen: Arbeitgeber und Arbeitnehmer

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Ich beschäftige mich gerade mit der Unterscheidung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Seit einiger Zeit stößt mir diese Darstellung und ihre vorherrschende Verwendung auf. Die Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern auf der einen Seite und einem Arbeitgeber auf der anderen steht auf dem Kopf. Schließlich ist es der sogenannte Arbeitnehmer, der seine Arbeitskraft und -zeit dem Eigentümer des Unternehmens opfert. Und es ist der sogenannte Arbeitgeber, der die Früchte dieser Arbeit und ihren (Mehr)Wert annimmt, sie veräußert und den Umsatz einstreicht.

Wenn diese Unterscheidung also falsch ist, wozu dient sie dann? Sie dient dazu, ein Machtverhältnis zu etablieren und zu normalisieren: das zwischen dem Eigentümer, der als “Geber” gut da stehen soll, und den Angestellten, die als “Nehmer” schlecht da stehen sollen.

Das heißt, jedes mal wenn wir in Talkshows hören, wie Redner diese Unterscheidung benutzen als ob sie wahr und normal wäre, müssen wir hellhörig werden. Und jedes mal wenn wir selbst diese Begriffe nutzen, übernehmen wir deren versteckte Behauptung, dass Eigentümer gut und Angestellte schlecht wären.

Doch die Arbeitnehmer und -geber Unterscheidung hat nicht nur den Effekt, dass die eine Seite als gut und die andere als schlecht dargestellt wird. Diese beiden Begriffe verschleiern auch die wirklichen Verhältnisse. ‘Arbeit’ wird irgendwie beiden Seiten zugeschrieben, dabei sind nur die Angestellten diejenigen, die arbeiten. Sobald die ursprünglichen Unternehmensgründungsausgaben des Eigentümers wieder erwirtschaftet wurden, streicht er durch Gewinnausschüttungen und beim Verkauf des Unternehmens ausschließlich den Wert ein, der durch die Angestellten mit ihrer Arbeit geschaffen wurde.

Wenn wir also einen Sprachgebrauch wollen, der unsere Verhältnisse wahrheitsgemäß beschreibt, müssen wir von Angestellten auf der einen Seite und von Unternehmenseigentümern – also Kapitalisten – auf der anderen Seite sprechen. Aber nicht nur unser eigener Sprachgebrauch ist wichtig. Es ist wesentlich, dass wir es ablehnen und als Kampfansage verstehen, wenn Redner von “Arbeitnehmern” und “Arbeitgebern” sprechen.

September 07, 2017

Schweres Erbe, schwere Ehrlichkeit — welche Erinnerungskultur wollen wir?

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Ein Wahlplakat der NPD sorgt derzeit für eine leise Kontroverse. Es zeigt ein berühmtes Bild Martin Luthers, darunter die Worte “Ich würde NPD wählen. Ich könnte nicht anders” und weiter unten “Heimat verteidigen”. Die evangelische Landeskirche bezeichnet das Plakat als “gezielte Provokation” und als einen Missbrauch Luthers (DNN vom 2.9., S. 15). Die Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, die zusammen mit der Evangelischen Kirche Deutschland das Lutherjahr 2017 ausrichtet, äußert sich empört: das Plakat verletze nicht nur ihre Rechte an dem berühmten Bild, sondern auch die Botschaft Luthers.

August 23, 2015

Überschriften übersetzen

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In der Serie Überschriften übersetzen / Translating the News lese ich die Sprache, das Vokabular einer Zeitungsüberschrift. Mir geht es dabei vor allem darum, implizite Vorurteile und Werturteile sichtbar zu machen. Was dann besonders klar wird, ist, dass die öffentliche Debatte in Deutschland, die öffentliche Debatte auf Deutsch, durchdrungen ist von Doppelmoral und Doppelzüngigkeit in Bezug auf Menschen, die wir als fremd verstehen.

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